Berufliche Qualifikation
Von Albert Einstein stammt der Satz: „Die Probleme, die existieren, können nicht mit den gleichen Denkstrukturen beseitigt werden, die sie geschaffen haben.“ Dieser Satz ist für Deutschland nie aktueller gewesen, als in der derzeitigen Diskussion zur notwendigen radikalen Umwälzung im deutschen Sozial- und Gesundheitssystem.
Lernen als Zeit der dritten Art
Durch den Qualifizierungstarifvertrag zwischen Südwestmetall und IGM, den Vertrag 5000 x 5000 bei VW und eine Vielzahl weiterer tariflicher und betrieblicher Regelungen kommen die herkömmlichen Grenzen zwischen Erwerbs- bzw. Freizeiten einerseits und Lernzeiten andererseits ins Wanken. Es schien lange klar: Es gab zwei Zeitformen, entweder die Arbeitszeit oder die Freizeit. Lernen fand während der Arbeit statt und wurde bezahlt oder aber man war danach frei zu lernen, was man wollte, auf eigene Kosten. Dies wird nun komplexer: In der Realität der betrieblichen Qualifizierung haben sich Mischformen herausgebildet, welche Zeiten und Kosten zwischen Unternehmen und Beschäftigten aufteilen, neue Interessenkonstellationen anerkennen und neue Konsenschancen ausloten. Es entwickeln sich neue Modelle von Time-Sharing und Co-Finanzierung (Faulstichl Schmidt-Lauff 2000). Erwerbs-, Frei- und Lernzeiten durchdringen sich.
Gratwanderung zwischen Arbeit und Freizeit
Auf der Suche nach den Lernzeiten im Alltag ergeben sich ähnliche Probleme wie bei der Suche nach dem täglichen Freizeitbudget: Wo fängt das Lernen an? Welche Bedeutung haben Erfahrungen, sozialer Austausch und kulturelle Aktivitäten für unser Wissen? Muss Lernen zielgerichtet sein? Welchen Wert hat informelles Lernen? Lernen kann quantifiziert werden, solange es strukturiert im Rahmen von Aus- oder Weiterbildung stattfindet.
Modulare Weiterbildungskonzepte
Modular konzipierte berufliche Weiterbildungsgänge werden in letzter Zeit verstärkt als Instrument zur flexiblen und zielgruppenspezifischen Ansprache von Mitarbeitern propagiert (vgl. z.B. Lennartz 1998). Auf Grundlage der bestehenden Weiterbildungserfahrungen und des Bedarfs bei Beschäftigten, sollen die Vorteile modularer Weiterbildungskonzepte diskutiert sowie die konkrete Entwicklung und Struktur eines modularen Weiterbildungsansatzes im Sinne eines Gestaltungskonzepts (vgl. Bronner 1999, S. 171 – 175 u. Oechs/er 2000, S. 596 – 600) vorgestellt werden. Auf den wichtigen Aspekt des Weiterbildungscontrollings (vgl. Kosub 2000) kann dabei allerdings nicht eingegangen werden.
Die Situation nach „Hartz I“
Die UNESCO definiert Bildungsgutscheine im Bereich des Erwachsenenlernens als Modell zur „direkten Unterstützung von Individuen nach einem ersten Bildungsabschnitt durch die Bereitstellung finanzieller Berechtigungstitel, die zur Teilnahme an organisierten Maßnahmen der Erwachsenenbildung berechtigen, die den Ansprüchen der Ausrichtung des Gutscheinprogramms entsprechen“ (UNESCO 2000, S. 123). Ein Bildungsgutscheinsystem solle dem Staat also erlauben, das individuelle Erwachsenenlernen finanziell zu fördern, wobei allgemein davon ausgegangen wird, dass die Gutscheine lebenslang Gültigkeit haben. Sie können bei jedem Träger eingelöst werden, der Maßnahmen anbietet, die mit den Anforderungen des Gutscheinsystems konform sind. Hierüber entscheidet eine eigene, staatlich getragene Agentur. Dieses System wird auch nach Hartz in der deutschen Weiterbildung praktiziert.
Risiken und Nebenwirkungen
Neun von zehn europäischen Bürgern und fast alle Deutschen halten lebenslanges Lernen für wichtig. Das ist das Ergebnis einer Eurobarometer-Umfrage. Grund für diese Lernbegierde ist auskunftsgemäß der Wunsch, unabhängig vom Alter wirtschaftliche und soziale Ziele zu verwirklichen. Nicht nur dieser empirische Ausweis außerordentlicher Lernbereitschaft deutet auf eine Ausweitung der Lernzeiten hin, auch die seit Jahren allgegenwärtigen gebetsmühlenhaften Einredungen vom lebenslangen Lernen nebst dazugehöriger nahezu beliebiger Appelle von Politikern, Bossen und pädagogischen Gralshütern zeigen dies an. Die Schlagzahl des Lernens soll offenbar erhöht werden. Doch werden dabei auch die Risiken und Nebenwirkungen bedacht?
Selbststeuerung des Lernens
Im Gefolge des Europäischen Jahres für lebensbegleitendes Lernen 1996 und des Memorandums über lebenslanges Lernen (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000) sind in den vergangenen Jahren in Deutschland zahlreiche Initiativen entstanden, in denen „Weiterbildungspässe“ auf sehr unterschiedliche Art eingesetzt werden (vgl. Bretschneider u.a. 2003). Diese Dokumente sind Ausdruck einer Entwicklung zunehmender Selbststeuerung des Lernens im Zuge der Individualisierung von Lebenslagen und zielen auf die Erfassung und Darstellung von Kompetenzen als Ergänzung zu Qualifikationen. Neben formalen rücken dabei non-formale und vor allem informelle Lernwege stärker in den Vordergrund.
Das Oberösterreichische Bildungskonto
Eine Verbesserung der persönlichen Lebenssituation ist bei vielen Menschen sehr eng mit ihren Chancen am Arbeitsplatz verbunden. Interessante Aufgabenstellungen, mehr Unabhängigkeit, bessere Bezahlung sowie größeren Schutz vor Arbeitslosigkeit erreicht man als Arbeitnehmerin am Besten durch Weiterbildung. Seit 1994- unmittelbarer Anlass war der bevorstehende Beitritt Österreichs zur Europäischen Union – gibt es daher für oberösterreichische Arbeitnehmerinnen die Möglichkeit, für berufsorientierte Weiterbildungsmaßnahmen eine Förderung im Rahmen des „Bildungskontos des Landes Oberösterreich“ zu erhalten (Prinzip der Individualförderung). Die politische Verantwortung liegt seit 2000 in den Händen des oberösterreichischen Landeshauptmann-Stellvertreters DI Erich Haider.
Pro und Contra zum Weiterbildungsgesetz der Schweiz
Die Motion zur Verankerung der Weiterbildung im Arbeitsrecht, welche Paul Rechsteiner am 20. März 1996 eingereicht hatte, fordert die rechtliche Regelung einer Reihe von Fragen (z.B. ein Recht auf Weiterbildung, die Beteiligung an den Weiterbildungskosten, die Rückerstattung dieser Kosten in bestimmten Fällen) im Zusammenhang mit der Weiterbildung. Eine gesetzliche Regelung wurde vor allem in Anbetracht der Tatsache gefordert, dass bisher nur 50 % aller Angestellten in der Schweiz einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt sind. Nur diese können von einem Rahmen profitieren, der ihnen ein Recht auf Weiterbildung und die Durchsetzung eines solchen gewährleistet. Die Motion Rechsteinerwurde vom Bundesrat in Form eines Postulats angenommen. Er hat diese geprüft und dazu Stellung genommen (Bericht des Bundesrates zur Weiterbildung im Arbeitsrecht, Staatssekretariat für Wirtschaft, 9. April 2003). Im Folgenden wird der Bericht des Bundesrates knapp zusammengefasst.
Lernzeit – Freie Zeit
Die Bedeutung von Bildung und Wissen für die wirtschaftliche Entwicklung insbesondere in Deutschland steigt. Für ein rohstoffarmes Land liegt eine große Chance im Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Wissen ist stets aufs Neue regenerierbar. Damit kommt der Qualifizierung und Kompetenzentwicklung der Menschen eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zu.
Wissenschaftliche Betrachtungen
„We often say today that time is of the essence. But what is the essence of time?“ (Die Zeitschrift der Kultur, 10/1997 [I]). Diese Fragestellung hat jahrhundertelange Traditionen zeitforschender Disziplinen hervorgebracht – nur die Pädagogik wendet sich ihr erst verhältnismäßig spät zu. Dabei findet sich Zeit bereits im 16. Jahrhundert implizit in Erziehungsplänen und Schulordnungen wieder (vgl. de Haan 1996). Hintergrund bildete die Problematik der Endlichkeit des Lebens, die den individuellen Prozess des Lernens begrenzt und deshalb eine geordnete Schrittfolge von Erziehungsprozessen erfordert. Nun formiert sich gerade die letzten Jahre zunehmend eine breite Diskussion um Zeiten und Lernen, die entsprechend Eingang in Forschungen der Erwachsenenund Weiterbildung findet und Zeit in ihren unterschiedlichsten Bedeutungen als zentrale Kategorie von Bildungsprozessen herausstellt.
lebenslanges Lernen und Zeitkompetenz
Der Beitrag analysiert Strategien und Verantwortlichkeiten auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite hinsichtlich einer zeitlichen Investition in Weiterbildung. Er bezieht sich auf eine qualitative Studie über mittelständische Betriebe in Thüringen. 1 Mitarbeiter und Personalentwickler aus dreizehn Betrieben wurden zur Weiterbildung und deren zeitbezogener Einbindung in andere Verpflichtungen und -aktivitäten befragt. Hintergrundannahme war, dass die allgemeine Leitidee des lebenslangen Lernens nur realisierbar ist, wenn es dem Einzelnen gelingt, verschiedene „Zeitfenster“ (Nahrstedt 1998) – der Arbeitszeit, Familienzeit, Freizeit und Lernzeit – zu koordinieren. Die Zeitdimension bleibt in der bisherigen Debatte über lebenslanges Lernen weitgehend unberücksichtigt. Sie ist jedoch wesentliche Voraussetzung und Bedingung von Weiterbildung (vgl. Brödel 2003, S. 173 f.).
Weiterbildung im Kontext von Zeit
Das Thema „Zeit“ erfreut sich seit Jahren größter Beliebtheit, wenn es um ihre pragmatische Nutzung, Planung, Organisation und Effektuierung geht (der anhaltend große Markt für Zeitmanagement Bücher zeugt davon). In die Erziehungswissenschaften und speziell in die Weiterbildung hat „Zeit“ vermehrt jedoch erst durch die zunehmende Diskussion um das Konzept des „lebenslangen Lernens“ Einzug gehalten, wobei der Fokus nicht allein auf ihrer Nutzbarkeit und Optimierung liegt, sondern ihrer Gestaltung als kritischer und entscheidender Faktor für das Lernen.