Jeder hat das Recht auf eine eigene Deutung von Begriffen und Sachverhalten, auch die Herausgeber und Leser von GdWZ. Im Heft 3/97 kündigte ein Setzer das vorliegende Heft als „Freizeitbildung“ an, obwohl das Thema „Zeit – Freizeit!?“ war. Die Herausgeber hatten andere Fragen im Sinn, wie zum Beispiel Wolfgang Seitter, der das pädagogische Ferienkonzept des Robinson-Clubs als Urlaubsform einer Multioptionsgesellschaft analysiert. Wolfgang Nahrstedt und Dieter Brinkmann beschreiben neue Zeitfenster für die Weiterbildung und betonen die Bedeutung neuer Zeitpotenziale. Karlheinz A. Geißler kritisiert die „Immer-Weiterbildung“ und den Drang nach permanenter Verfügbarkeit. Astrid Orthey beleuchtet die andere Seite der „Zeit“ mit „Nimm Dir Zeit und nicht das Leben“. Marc Ant stellt in Skandinavien das Modell „Jobrotation“ zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor. Nun sind Sie, verehrte Leserinnen und Leser, gefragt, Ihre eigene Deutung des Themas „Zeit“ zu finden.
Zum pädagogischen Ferienkonzept des Robinson-Clubs
In erziehungswissenschaftlicher Perspektive stellt der Cluburlaub – als relativ junge, expandierende und prestigebehaftete Form des Reisens – ein interessanter zeitdiagnostischer Testfall dar: Durch das Prinzip der betreuten Aktivitätsvielfalt auf Abruf bei. diskreter Animation verkörpert der Club eine Urlaubsform, die mit ihren geographisch abgeschottenen Erlebniswelten weniger auf die Begegnung mit fremden Kulturen als auf die alltagsentlastete Ausweitung eigener Handlungs- und Erlebnisspielräume abzielt. Mit seinen pädagogisch strukturierten Mehrfachangeboten, die vielfältige individuelle Nutzungs- und Kombinationsmöglichkeiten zwischen Reisen, Lernen, Spiel und Erholung zulassen, wird der Club zur Urlaubsform einer Multioptionsgesellschaft.
Neue Zeitfenster für die Weiterbildung
Angesichts der gesamtgesellschaftl ichen Veränderung von Zeitstrukturen stel lt dieser Beitrag die Frage nach der Bedeutung neuer temporaler Angebotsmuster für die Weiterbildung. Erste Analysen zeigen, daß die Angebotszeiten in den letzten Jahren i n Bewegung geraten sind und verstärkt Tageskurse und Wochenendveranstaltungen d u rchgeführt werden. Erst langsam wird jedoch der Wandel durch die Arbeitszeitflexibil isierung in seiner ganzen Breite spü rbar, und bisherige Entwickl ungsperspektiven stoßen angesichts der Finanzlage der Kommunen zunehmend an Grenzen. Daher spielt heute neben einer stärkeren ökonomischen Bewertung von Zeiten (Ressourcenauslastung) die Erschl ießung und Nutzung neuer Zeitpotentiale eine wichtige Rolle für das überleben der Institutionen wie für eine breite Mobil isierung m it Blick auf das angestrebte lebenslange Lernen. Die Orientierung an den Zeitwünschen der Weiterbildu ngsteilnehmer könnte ein wichtiger Wettbewerbsfaktor werden.
Jobrotation – Ein neues Zeitmodell zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit?
Das Jobrotationmodell ist als arbeitsmarktpolitische Maßnahme vor allem in Dänemark, Norwegen und Schweden entwickelt und eingesetzt worden. Es handelt sich dabei um das Prinzip, eine beschäftigte Person für die Dauer der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen durch eine arbeitssuchende Person zu ersetzen. Der Vorteil für die Unternehmen besteht darin, daß der Arbeitsausfall vermindert werden kann. Den Arbeitssuchenden wird dagegen die Möglichkeit gegeben, die persönliche Berufserfahrung zu erweitern und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Das Modell eignet sich aber wegen des hohen administrativen und finanziellen Aufwands nicht als flächendeckende Maßnahme, sondern ist als punktueller Ansatz innerhalb einer Kooperation von Arbeitsämtern, Unternehmen und Weiterbildungsinstitutionen zu sehen.
Madame Cresson legt nach Neues vom Weißbuch „Lehren und Lernen“
Vielfach steht der im Rahmen der EU-Strukturpolitik gut ausgestattete Europäische Sozialfonds (ESF) im Zentrum großer Begehrlichkeiten diverser Weiterbildungsträger. Leider wird bei diesem Fördertopf bisweilen zuerst die Frage nach der Höhe der abschöpfbaren Mittel durch den Antragsteller gestellt und dann erst nach der dafür zu erbringenden Leistung. Die finanziell erheblich geringer ausgestatteten Programme aus dem für Bildung zuständigen EU-Kommissariat von Frau Cresson, in deren Bereich u.a. das Leonardo-Programm fällt, verdienen allerdings wegen ihrer bildungspolitischen Strategien und Zielsetzungen, die auch nationale Interessen berühren, gleichwohl hohe Beachtung. Dies gilt um so nachdrücklicher, da auch für die Wirtschaft Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen werden, die erhebliche Auswirkungen auf Gesetzgebung und Finanzen haben können.
Effekte von Gruppentrainings – eine feldexperimentelle Pilotstudie
Die sach- und sozialkompetente Führungskraft der 90er Jahre muß häufig über Fähigkeiten verfügen, die weder Bestandteil ihrer Ausbildung waren, noch in der betrieblichen Praxis vorgelebt wurden bzw. eingeübt werden konnten. Benötigt werden deshalb Lernfelder, die praxisnah und handlungsorientiert sehr unterschiedliche Kompetenzen zusammenhängend vermitteln. Die Kombination von computergestützten Unternehmensplanspielen und Angewandter Gruppendynamik in Form des Planspiel laboratoriums (PSL) bietet hierbei eine lebensnahe Lernchance.